Fotostudios in Deutschland müssen bald um Ihre Existenz kämpfen. Eine wichtige Einnahmequelle wird schon sehr bald wegfallen. Das wird auch andere Leistungen der Studios beeinträchtigen.
Passbilder nur noch im Amt ab wann?
Um Ausweise zukünftig fälschungssicherer zu machen, will das Bundesinnenministerium ab Mitte 2022 die Aufnahme von biometzrischen Passbildern nur noch auf den Ämtern, per Passbild Automat zulassen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf liegt schon vor. Das Lichtbild für jeden neuen Pass oder Personalausweis muss dann beim Termin auf dem Amt entstehen. Grund dafür sind mögliche Bildmanipulationen bei Passfotos wie das „Morphing“, bei dem zwei oder mehr Gesichter verschmolzen werden. Wegen der entstehenden Ähnlichkeit auf dem Foto kann ein Pass dann von mehr als einer Person genutzt werden. Solche Vergehen sind im Zunehmen begriffen, vergangenes Jahr registrierte allein die Bundespolizei 950 Fälle von Ausweismissbrauch, ein Zuwachs von 30 %.
Fotoautomat statt Fotostudio: Existenzangst und Kränkung von Fotografen
Sicher ist nur eines: Fotostudios müssen um ihre Existenz fürchten, denn schon bald wird der Passfoto Automat den Fotografen ersetzen müssen. Die Erstellung von Passfotos ist eine Haupteinnahmequelle vieler Studios. Es ist nicht unüblich, dass die Hälfte der Einkünfte damit erzielt wird. Laufkundschaft, die wegen eines Passfotos ins Studio kommt, kehrt später vielleicht für andere Aufträge zurück. Gert Richter, Obermeister der Fotografeninnung Schwaben-Oberbayern, machen insbesondere Studios Sorgen, die sich auf Porträtfotografie spezialisiert haben. Die Folgen des Gesetzes könnten drastisch sein, er schätzt, dass in München 60 % der Studios nach Inkrafttreten des Gesetzes schließen müssen.
Bisher erledigt man in den Studios alle Arbeiten rund ums Lichtbild professionell, zuverlässig und zu einem günstigen Preis. Wenn das einmal auf dem Amt stattfinden soll, können wir uns auf noch längere Wartezeiten gefasst machen. Man möchte meinen, zum Ausgleich sei das Passbild vom Amt dann wenigstens kostenlos, aber weit gefehlt. Die „Aufwandsentschädigung“ wird voraussichtlich vier bis sechs Euro pro Bild betragen. Ob es bei diesem Betrag bleibt, kann niemand sagen, die Gebühr könnte nach Belieben erhöht werden. Auf dem Bürgeramt freut man sich über die zusätzliche Einnahmequelle. Ebenso schmerzlich für die Zunft der Fotografen ist der offensichtliche Misstrauensbeweis.
Während jeder Kiosk als Paketannahmestelle fungieren kann und alle möglichen Shops eine so wichtige und amtliche Angelegenheit wie das Identverfahren ausführen dürfen, wird dem Fotostudio ein ähnliches Vertrauen im Falle der Erstellung von Passbildern verweigert. Es wäre schließlich problemlos machbar, Fotografen zu zertifizieren. Diese versichern dann gegenüber dem Ministerium, keine Bilder zu manipulieren und können weiter wie bisher ihrer Arbeit nachgehen. Im Studio aufgenommene Fotos, die für Ausweisdokumente benötigt werden, können über einen gesicherten Weg direkt ans Amt geschickt werden. In Sachen Sicherheit wären die Studios gerne dazu bereit, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Aber das Bundesinnenministerium hat sich bei der Ausarbeitung des Gesetzes zu anderen Optionen offensichtlich keine Gedanken gemacht. Warum auch, Fotografen haben keine ernstzunehmende Lobby.
Das zertifizieren von Fotografen, zur Erstellung von amtlichen biometrischen Passbilder wäre eine faire Lösung.
Passfoto Automat ersetzt Fotograf: Horrorszenario für das Fotografenhandwerk
Passbilder Automaten scheinen praktisch zu sein, doch das neue Gesetz wird wohl ein großes Studiosterben auslösen. Schnell könnte die Zahl der Lehrlinge um zwei Drittel abnehmen. Dem Handel werden Umsätze in Höhe von 100 Mio. Euro genommen, ein ganzer Berufszweig wird demontiert. Da hat der Gesetzgeber die Verhältnismäßigkeit seines Tuns wohl nicht ernsthaft abgewogen. Wie sollen sich Fotografen zukünftig über Wasser halten? Ich habe vor wenigen Tagen selbst gesehen, wie ein Fotostudio in Köln schon jetzt den Versuch macht, mit dem Annehmen von Paketen und Identitätsprüfungen etwas mehr Einnahmen zu generieren. Ohne das Grundeinkommen aus dem Geschäft mit Passfotos ist das Studio erledigt. Wieso sollte man dem Besitzer ab 2022 nicht mehr erlauben, auch Lichtbilder für Ausweise zu machen? Wie soll er den Verdienstausfall denn kompensieren, belegte Brötchen verkaufen oder Spielautomaten aufstellen?
Wie genau das Gesetz in der Praxis umgesetzt werden kann, ist allerdings noch unklar. Denkbar wären Kameras auf den Tischen der Mitarbeiter im Bürgeramt, aber auch Passfoto Automaten auf den Fluren, wo die Bürger dann unter Aufsicht Passfotos machen können (solange sie keine Rollstuhlfahrer sind, die passen in die Kabinen nicht hinein). Die technische Erstausstattung würde allein in den ersten fünf Jahren Kosten von 177 Mio. Euro verursachen. Ob damit allerdings die Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen gestärkt werden kann, so wie es der Gesetzentwurf vorsieht, darf bezweifelt werden. Wer betrügen will, wird einen Weg finden.
Der den Fotografen, durch das geplante Gesetz entstehende Schaden ist offensichtlich und groß, ob wir dadurch Sicherheit gewinnen, eher ungewiss. Was denkt ihr über das neue Gesetz? Sollten Passfoto Automaten die Arbeit der Fotografen gänzlich ersetzen? Wird es Ausweise fälschungssicher machen? Ist der dem Mittelstand zugefügte Schaden vertretbar? Eine breite Diskussion zu diesem Thema ist notwendig, denn bisher scheint die Öffentlichkeit sich der kommenden Veränderungen und ihren Auswirkungen kaum bewusst zu sein.